Neues ÖPNV-Konzept für die Gemeinde bleibt umstritten
Bund der Steuerzahler über unnütze Ausgaben für Ruller Haltestelle informiert –
„Wir sind sehr an dem Fall interessiert“
Der aufwendige Ausbau mehrerer nicht benötigter Bushaltestellen in Rulle beschäftigt inzwischen auch den Bund der Steuerzahler (BdSt). Nach Informationen des Bürger-Echos wurde die unabhängige, rund 200.000 Mitglieder starke Interessenvertretung mit Sitz in Berlin von einem Bürger aus unserer Gemeinde informiert. Die Antwort aus der Bundeshauptstadt erfolgte schon nach wenigen Tagen. Man sei „sehr interessiert“ an dem Fall und werde nun eigenständig weitere Überprüfungen vornehmen, schreibt der BdSt. Falls sich die Fakten bestätigen sollten, könnten die Haltestellenkosten in unserer Gemeinde ein besonders eklatantes Beispiel für die Verschwendung von Steuergeldern sein – und somit ein Fall für das Schwarzbuch, das vom Bund der Steuerzahler in jedem Jahr neu erstellt wird.
Sicher ist, dass die Gemeinde nach eigenen Angaben allein für den Ausbau der beiden Ruller Haltestellen Wittekindsburg und der Lindenstraße jüngst zusammen gut 55.000 Euro investiert hat. Da beide nach dem neuen ÖPNV-Plan nicht mehr angefahren werden, haben sie künftig keinen Nutzen mehr. „Unglaublich“, findet das zum Beispiel der CDU-Ratsherr Clemens Lammerskitten: „Hier wurde sehr viel Geld für nichts ausgegeben, das uns im Gemeindehaushalt an anderer Stelle fehlt.“ Mit den fehlinvestierten 55.000 Euro hätte die Gemeinde zum Beispiel viel zur Unterstützung der Ehrenamtlichen tun können, die sich in den heimischen Vereinen und Verbänden für das Allgemeinwohl engagieren.
Bei einer kurzen Umfrage im Wallenhorster Zentrum reagierten die Bürger zugleich ungläubig und empört. „Das kann einfach nicht sein“, betonte zum Beispiel ein junger Mann, der gerade im Monteursanzug von der Arbeit gekommen ist: „Für eine solche Summe muss ich fast zwei Jahre arbeiten gehen.“ Eine spontan dazu gekommene ältere Dame aus Rulle schüttelt verärgert den Kopf: „Bisher bin ich immer mit dem Bus über den Haster Berg zum Arzt gefahren. Das wird mit dem neuen Fahrplan nicht mehr möglich sein.“ Unter den halben Dutzend befragten Bürgerinnen und Bürgern findet sich kein einziger, der sich positiv zu dem neuen Buskonzept äußert. Einer versucht zu erklären, warum er wie auch die anderen in diesem Fall nicht mit Namen genannt werden möchte: Das Thema sei sehr umstritten und werde entsprechend heiß diskutiert.
„Weil unser Ortsteil dann zum Teil abgehängt wird“, lehnt die Ruller CDW/W-Ratsfrau Marion Müssen das neue Buskonzept für die Gemeinde Wallenhorst vehement ab. Sie sieht neben einigen wenigen Verbesserungen in erster Linie Verschlechterungen für die ÖPNV-Nutzer. Sie fordert, dass die Gemeinde in ihrer vom Landkreis Osnabrück geforderten Stellungnahme ganz klar „Nein“ zu dem Konzept und dem damit verbundenen Zuschuss sagt, der der Gemeinde Wallenhorst bis zum Jahr 2035 mindestens 4,2 Millionen Euro kosten würde.
Heftige Kritik an dem neuen Buskonzept gibt es auch aus Pye. Ein dort wohnender Bürger (Name ist der Redaktion bekannt), bemängelt in einem an die Vorsitzenden der Wallenhorster Ratsfraktionen gesendeten Schreiben, dass sich die Fahrzeiten von seinem Wohnort nach Osnabrück sowie nach Hollage und Bramsche mit dem neuen Plan zum Teil deutlich erhöhen. Unter anderem würde sich „der Hin- und Rückweg zum Hasebad oder zum Darnsee von 1,20 auf 2,50 Stunden erhöhen“. Für die Busfahrt von Pye zum Haster Nettebad müsse man künftig 44 statt bislang 28 Minuten einplanen – inklusive einer Umsteigezeit von 18 Minuten. Den Wallenhorster Gemeinderat fordert der Bürger auf, „dieses Konzept abzulehnen“.
Damit die Busse endlich wieder zuverlässig fahren, wirbt Bürgermeister Otto Steinkamp dagegen „bei allem Verständnis für die zum Teil berechtigte Kritik“ für die Annahme des von den beiden Busunternehmen Hummert (aus Dissen) und Hülsmann (aus Voltlage) gemeinsam vorgelegten Buskonzepts. Die Entscheidung des Rates war bis kurz vor dessen Sitzung am vergangenen Donnerstag völlig offen. In den wenige Tage zuvor stattgefundenen Beratungen des zuständigen Fach- sowie des Verwaltungsausschusses hatte es dazu jeweils keinen Beschluss gegeben.
In der öffentlichen Diskussion des Fachausschusses hatten Ratspolitiker aus mehreren Fraktionen zwar auf etliche Vorteile verwiesen, zugleich aber auch eingeräumt, dass es in einigen Bereichen noch erheblichen Verbesserungsbedarf gibt. „Vor allem in Rulle gibt es ein großes Akzeptanzproblem“, betonte etwa die SPD-Ratsfrau Sabine Steinkamp. Ob und wie das Problem bis zur entscheidenden Ratssitzung gelöst werden konnte, werden Sie im nächsten Bürger-Echo erfahren. Worauf es dabei aus ihrer Sicht ankommt, hatten Sprecher der beiden Busunternehmen schon während der Ausschusssitzung mit sehr deutlichen Worten erklärt. So sind Veränderungen und Ergänzungen mit weiteren Busangeboten für die Wallenhorster Bürger zwar möglich, würden der Gemeinde aber zusätzliches Geld kosten. (H.)
Kommentar
Von Redakteur Klaus Hilkmann
Ernüchternd
Auf zwei Punkte können sich Befürworter und Kritiker des neuen Buskonzepts vermutlich schnell einigen: So wie in den letzten zwei Jahren darf es nicht weitergehen und auch der neue Plan ist noch lange nicht das, was man sich für einen leistungsfähigen ÖPNV wünschen würde.
Dass sich die Ratsmehrheit mit einem „Ja“ keineswegs für ein rundum überzeugendes Angebot entscheiden würde, zeigt schon ein Blick in die Vorlage, in der die Gemeindeverwaltung für eine Zustimmung der Ratspolitiker wirbt. Die Liste der dort genannten Kritikpunkte ist immerhin ähnlich lang wie die Aufführung der positiven Aspekte. Kein Wunder, dass sich die Begeisterung für das neue Buskonzept bei fast allen Beteiligten – vorsichtig ausgedrückt – in Grenzen hält.
Für die Wallenhorster Bürgerinnen und Bürger stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob die Gemeinde wirklich einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 420.000 Euro für ein Konzept zahlen sollte, das nahezu niemand wirklich überzeugt – und das auch noch mit einer Bindung von zehn Jahren. Eine ÖPNV-Vereinbarung auf dieser Basis würde der ohnehin schon hoch verschuldeten Gemeinde Wallenhorst mindestens 4,2 Millionen Euro kosten, die sie nicht hat und vermutlich mit weiteren Schulden finanzieren müsste.
Die andere Seite der Medaille ist, dass der ÖPNV längst nicht nur in Wallenhorst ein Angebot ist, das nur mit hohen Subventionen – also Zuschüssen aus der Steuerkasse – erhalten werden kann. Der Erlös aus dem Fahrkartenverkauf reicht bei weitem nicht zur Kostendeckung aus. Sogar die jetzt zur Debatte stehenden 420.000 Euro aus Wallenhorst sind nur ein Bruchteil der Millionen-schweren Zuschüsse, die jedes Jahr aufgebracht werden müssen, damit flächendeckend für alle zugängliche Busse mit einem festen Fahrplan in unserem Gemeindegebiet unterwegs sind.
Gerade für umweltbewusste Menschen, die ihr Auto in Zukunft gern häufiger stehen lassen würden, ist das Offensichtliche der aktuellen Diskussion ernüchternd. So liegt es eben nicht vorwiegend am Missmanagement der beteiligten Kommunen oder geldgierigen Busunternehmern, dass der ÖPNV in Wallenhorst und anderswo trotz hoher Subventionen nicht wie gewünscht funktioniert.
Ein entscheidender Grund ist vielmehr, dass die Zahl und die Zahlungen der Fahrgäste einfach nicht ausreichen, um damit ein attraktives und verlässliches Busnetz finanzieren zu können. So lange das so ist, muss jede einzelne Busfahrt durch den Staat mitbezahlt werden. Da die Kosten dafür sicher nicht sinken werden, müssen wir auch in Wallenhorst damit rechnen, dass selbst hohe sechsstellige Zuschusssummen kaum ausreichen werden, um alle Ansprüche erfüllen zu können. (H.)
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