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Ist der Busverkehr ein Fall fürs Schwarzbuch der Steuerzahler?

Neues ÖPNV-Konzept sieht etliche Veränderungen vor –

Gemeinde soll bis 2035 jedes Jahr mindestens 420.000 Euro zahlen

„Ja“ vom SPD-Fraktionschef – Weiterhin kritische Stimmen

Fährt der Bus wirklich – und wenn ja: Wie viel Verspätung muss man diesmal einplanen? Die ÖPNV-Verbindungen innerhalb der Ortsteile und sowie nach Osnabrück und in den Nordkreis sind in unserer Gemeinde seit Jahren ähnlich zuverlässig wie das April-Wetter. Bis heute gilt: Wer auf dem Weg zur Arbeit oder zu einem wichtigen auswärtigen Termin schnell und sicher ankommen möchte, sollte besser mit dem E-Bike oder Auto fahren.

Genau das soll sich nach den Erwartungen der Verwaltung und möglicherweise auch der Ratsmehrheit mit einem runderneuerten Konzept noch in diesem Jahr ändern. Voraussetzung ist, dass es am 23. Januar bei einer eigens zu diesem Thema einberufenen Sitzung des Gemeinderates eine Mehrheit für ein neues ÖPNV-Konzept gibt, das unter dem folgenden Titel auf der Tagesordnung steht: „Stellungnahme zum Antrag der ARGE ÖPNV Wallenhorst auf Erteilung einer Genehmigung für einen eigenwirtschaftlichen Linienverkehr für das Linienbündel Osnabrück für den Zeitraum 1.11.2025 bis 31. Oktober 2035“. Die öffentliche Ratssitzung beginnt um 17.30 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses.

Hinter der etwas sperrigen Formulierung steht, dass der Busverkehr im Gemeindegebiet künftig als „Arbeitsgemeinschaft (ARGE) ÖPNV Wallenhorst“ im wesentlichen von zwei auswärtigen Busunternehmen (Hülsmann aus Voltlage sowie Hummert aus Dissen) betrieben wird. Die Gemeinde sagt nach dem vorliegenden Plan die Zahlung eines jährlichen Zuschusses in Höhe von zunächst knapp 420.000 Euro zu, der gemäß „der Vereinbarung einer Preisgleitklausel“ regelmäßig – vermutlich nach oben – angepasst werden kann. Wenn es am 23. Januar grünes Licht seitens der Politik gibt, ist die Gemeinde Wallenhorst bis 2035 für zehn Jahre an die Vereinbarung gebunden. Kostenpunkt: Insgesamt mindestens 4,2 Millionen Euro.

Inhaltlich sieht das nach längeren Verhandlungen modifizierte Konzept nach Einschätzung der Verwaltung mehrere wichtige Verbesserungen vor. Sie zählt hier unter anderem auf, dass wochentags alle Ortsteile mindestens im Halbstundentakt an Osnabrück angebunden sind (am Wochenende im Stundentakt) und es über die B 68 jede Stunde künftig zwei Schnellverbindungen nach Osnabrück geben soll, die ohne Umstieg bis zum Hauptbahnhof führen. Insgesamt sollen sich nach Angaben der Gemeindeverwaltung die Fahrzeiten aus Rulle und Wallenhorst in das Osnabrücker Stadtzentrum verringern. Zudem sei in Kooperation mit den Osnabrücker Stadtwerken durch Umstrukturierungen der Linie X 520 der Erhalt der Achse von Hollage über Pye nach Osnabrück geplant.

Schon vor der entscheidenden Abstimmung haben mehrere Ratspolitiker öffentlich erklärt, dass sie das neue Buskonzept begrüßen. Zum Beispiel spricht der SPD-Fraktionsvorsitzende Guido Pott von einer „Weichenstellung für einen verlässlichen ÖPNV in Wallenhorst“. Andere Kommunalpolitiker aus unserer Gemeinde sehen das anders. So erklären die Gemeinderatsmitglieder Marion Müssen (CDW/W) und Clemens Lammerskitten (CDU) in einem gemeinsamen Interview mit der Grünen Kreistagsabgeordneten Ellen Akkermann, dass sie sich eindeutig gegen die Pläne aussprechen:

 

Frage: Am 23. Januar soll im Gemeinderat über eine Empfehlung für ein neues Buskonzept für die Gemeinde Wallenhorst abgestimmt werden. Werden Sie zustimmen?

Marion Müssen: Nein. Mit der X 582 und der wichtigen umstiegsfreien Direktverbindung von Rulle nach Osnabrück, der X 533, werden nach dem neuen Konzept zwei Linien komplett wegfallen. Das geht aus meiner Sicht und der vieler Bürgerinnen und Bürger überhaupt nicht. Von aktuell fünf Linien sollen nur noch drei erhalten bleiben. Wo da unterm Strich die Verbesserungen sein sollen, kann eigentlich niemand nachvollziehen. Besonders ärgerlich ist, dass Rulle im südlichen Bereich total abgehängt wird.

Clemens Lammerskitten: Ich werde ebenfalls dagegen stimmen. Die Gemeinde Wallenhorst wird in Zukunft für das gleiche Geld eine deutlich geringere Leistung bekommen. Die ersatzlose Streichung der Linie 582 bedeutet für viele Nutzer aus Hollage, dass sie für die Busfahrt nach Osnabrück künftig längere Wege und mehr Zeit einplanen müssen. In Rulle sind die Menschen besonders benachteiligt. Dass sie ausgerechnet auf die gut genutzte Verbindung über den Haster Berg nach Osnabrück verzichten sollen, ist kaum nachvollziehbar.

Ellen Akkermann: Ich muss leider zugestehen, dass unsere Ratsfraktion offenbar zu wenig Rücksicht auf die Interessen der Menschen im Ortsteil Rulle nimmt, die sich aus meiner Sicht zu Recht benachteiligt fühlen. Mich persönlich macht das sehr traurig.

 

Frage: Sollte die Gemeinde einen jährlichen Zuschuss von 420.000 Euro für dieses Konzept bezahlen?

Marion Müssen: Nein. Wir wissen zum Beispiel noch nicht einmal, welche Jahreskilometerleistung die ARGE mit Hülsmann und Hummert erbringen wird. Was wir sicher wissen ist dagegen, dass gleich zwei wichtige Linien komplett gestrichen werden sollen.

Clemens Lammerskitten: Die Zahlungen sind in den neunziger Jahren unter der Prämisse eingeführt worden, dass Hollage einen 20 Minuten-Takt bekommt. Dass die Verbindung über Pye nur noch im 30 Minuten-Takt angeboten wird, bedeutet eine Verschlechterung, die aus meiner Sicht zu einer Verringerung der Zuschusshöhe führen muss. Mein Eindruck ist auch beim ÖPNV, dass von der Gemeindeverwaltung viele Millionen Euro ausgegeben werden, ohne dass die Planung mittels einer ausreichenden fachlichen Expertise überprüft wird.

Ellen Akkermann: Ich bin ebenfalls skeptisch. Für mich sind noch zu viele Fragen nicht eindeutig geklärt. Mir fehlen zum Beispiel klare Aussagen zur Gesamtkilometerleistung sowie wie sich der Fahrpreis pro Fahrgast zusammensetzt. Uns Politikern wurden zu diesem Thema bislang immer nur Konstrukte mit einem sehr begrenzten Informationsgehalt vorgelegt. Eigentlich ist das ein „no go“.

 

Frage: Die neue Linienführung bedeutet auch, dass gleich mehrere, gerade erst für eine insgesamt sechsstellige Summe sanierte Haltestellen nicht mehr angefahren werden. Was sagen Sie dazu?

Marion Müssen: Das stimmt leider. In Rulle wird die Haltestelle Wittekindsburg (Nordostseite) überhaupt nicht mehr bedient. Das gleiche gilt für die Haltestellen Lindenstraße (Nordseite) und am Prozessionsweg (Ostseite), die ebenfalls gerade erst neu – unter anderem mit einem aufwändigen Wetterschutz – ausgebaut worden sind. Das ist eigentlich ein Fall für das Schwarzbuch, das der Bund der Steuerzahler jedes Jahr veröffentlicht.

Clemens Lammerskitten: Dazu kommt, dass die Gemeinde weitere 50.000 Euro an Fördermitteln zurückzahlen muss, weil die genannten Haltestellen nicht mehr genutzt werden. Eine richtig teure Fehlinvestition ist auch die Busschleife im Ruller Ortszentrum, die im Zuge der Ortskernsanierung mit hohen Kosten erstellt worden ist. Auch diese wird in Zukunft nicht mehr benötigt. Äußerst bedauerlich ist auch, dass in Rulle mit den Stationen Gruthügel sowie Wellenkamp und An der Nette weitere Haltestellen künftig nur noch von den Schülerbussen und nicht mehr von den Linienbussen angefahren werden.      

Ellen Akkermann: Auch aus Sicht einer ganz normalen Bürgerin, ist das alles nur schwer nachvollziehbar. Während in den Kommunen in anderen Bereichen um jeden Euro gefeilscht wird, wurden in Rulle etwa am Wellenkamp für viel Geld völlig überdimensionierte Haltestellen errichtet – offenbar vor allem, um damit an Fördergelder zu kommen, die ebenfalls vom Steuerzahler finanziert werden. Dass diese Haltestellen nun vollkommen nutzlos sind, kann man den Bürgerinnen und Bürgern kaum erklären. Insgesamt halte ich es für fragwürdig, dass es die Gemeinde Wallenhorst einfach hinnimmt, wenn die Zuschusshöhe einfach von auswärtigen Busunternehmen diktiert wird. Da es zudem keine Ausschreibung gegeben hat, an der sich Mitbewerber beteiligen konnten, erkläre ich auch hier wie schon bei der Abstimmung im Kreistag sehr deutlich: Dieses Verfahren kann und möchte ich nicht mittragen. (H.)


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