Mit einem neuem Ratsbeschluss Klarheit schaffen
In der Gemeinde Wallenhorst wird derzeit über das Für und Wider einer neuen gut 25.000 Quadratmeter großen Wohnbaufläche diskutiert, die nach Planung der Gemeindeverwaltung direkt neben der Ziegelei entstehen soll. Das Bürger-Echo hat bei den Fraktionsvorsitzenden der im Gemeinderat vertretenen SPD, CDU, CDW/W, Grünen und FDP nachgefragt, was sie von dem Vorhaben halten. In dem folgenden Text können Sie die Antworten von Andre Budke (CDU), Manfred Gretzmann (CDW/W), Guido Pott (SPD), Rüdiger Schulz (Bündnis90/Die Grünen) und Markus Steinkamp (FDP) nachlesen.
1. Frage: Sollte die Gemeinde angesichts der zahlreichen noch nicht verkauften Wohnbaugrundstücke „Westlich Stadtweg“ ein weiteres 25.000 Quadratmeter großes Wohnbaugrundstück in Hollage erwerben?
Andre Budke (CDU): Die Vermarktungssituation in diesem Baugebiet in Rulle zeigt vor allem, dass klassische Einfamilienhausgrundstücke als Eigentumsgrundstücke am meisten nachgefragt werden, wohingegen z.B. Erbpachtgrundstücke derzeit nur sehr schwer vermarktbar sind. Das bedeutet für zukünftige Ausweisungen von Baugebieten, dass die angebotenen Grundstücke sich mehr an der tatsächlichen Nachfrage orientieren müssen. Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass für weitere Wohnbaugrundstücke in Hollage eine Nachfrage besteht, über die beste Lage eines möglichen weiteren Baugebiets kann man streiten.
Manfred Gretzmann (CDW/W): Grundsätzlich ist die Verfügbarkeit von Grundbesitz im zentralen Bereich einer Kommune sinnvoll, da sich dadurch Entwicklungsmöglichkeiten ergeben. Aufgrund der aktuellen Krise am Wohnungsmarkt – die Nachfrage nach Grundstücken sinkt – ist ein Grunderwerb in dieser Größenordnung zu diesem Zeitpunkt kritisch zu hinterfragen. Die Nutzung einer Teilfläche als Vorratsfläche für eine mögliche weitere Kindertagesstätte ist auf Basis aktueller Einschätzungen zur Bevölkerungs-entwicklung nicht erforderlich. Es gilt also, zwischen den Entwicklungschancen und dem aktuellen Bedarf abzuwägen. Dieser Abwägungsprozess ist derzeit Gegenstand der Beratungen.
Guido Pott (SPD): Die Vermarktung der Grundstücke im Baugebiet „Westlich Stadtweg“ sollte differenziert betrachtet werden. So sind von 27 Einfamilienhausgrundstücken im Eigentum aktuell 19 veräußert. Für die noch verbleibenden acht Grundstücke gibt es aber ausreichend Interessenten. Grundsätzlich darf in unserer Gemeinde auch in Zukunft von einer hohen Nachfrage nach Einfamilienhausgrundstücken im Eigentum ausgegangen werden. Für Erbbaugrundstücke, die in dem Baugebiet in Hollage überhaupt nicht angedacht sind, sieht das anders aus. Der bereits im Jahr 2015 verabschiedete Flächennutzungsplan der Gemeinde Wallenhorst sieht darüber hinaus genau dieses Areal in Hollage als Wohnbaufläche vor. Die vorliegenden gutachterlichen Einschätzungen machen deutlich, dass die von der Ziegelei ausgehenden Emissionen gehändelt werden können. Einzelheiten würden dann in einem Bauleitverfahren geklärt werden.
Rüdiger Schulz (Bündnis90/Die Grünen): Nein.
Markus Steinkamp (FDP): Die Nachfrage nach Wohnbauland ist weiterhin hoch und wird es voraussichtlich auf mittlere Sicht bleiben. Die aktuelle Zurückhaltung ist meines Erachtens Faktoren wie den Baupreisen und der Zinsentwicklung geschuldet, die sich auch wieder ändern können. Auch ist zu berücksichtigen, dass große Unterschiede bei der Nachfrage nach einzelnen Bauformen und Eigentumsvarianten bestehen. Bei Bauplätzen für Einfamilienhäuser im Eigentum gibt es meines Wissens aktuell gar kein offenes Angebot, während Mehrfamilienhäuser, Doppelhaushälften und Erbbaurechte weniger gefragt sind. Dem kann man durch geänderte Planungen und Vergaben begegnen. Noch verfügbare Grundstücke in Rulle sagen zudem nicht unmittelbar etwas über die Nachfrage in Hollage aus. Wenn überhaupt, wäre abzuwägen, ob und wann Bauland im Bereich der Hellmichsteine entwickelt werden kann und sollte. In allen Fällen müssen wir als Gemeinde aber jetzt tätig werden, da uns das neu zu fassende Regionale Raumordnungsprogramm hier bald Fesseln anlegen wird.
2. Frage: Ist der Grundstückskauf noch mit Ratsbeschluss vom März 2024 abgedeckt, da dieser den Flächenerwerb an den nun nicht mehr vorgesehenen Neubau eines Kindergartens gekoppelt hatte?
Andre Budke (CDU): Die inhaltliche Begründung des Ratsbeschlusses ist zumindest entfallen, dies war seinerzeit die Notwendigkeit eines weiteren Kindergartens. In der Ratssitzung im März wurde die Lage des geplanten Kindergartens kontrovers diskutiert, die CDU-Fraktion hat als einzige Fraktion geschlossen gegen den Beschluss gestimmt, da wir den Bau eines Kindergartens an der Ziegeleistraße direkt neben der Ziegelei als Fehler sahen. Da der Grund für den Grundstückskauf entfallen ist, wäre es aus meiner Sicht angebracht, dass der Rat den damaligen Ratsbeschluss aufhebt. Falls eine weitere Wohnbebauung beabsichtigt ist, ist meiner Meinung nach zunächst zwingend zu überprüfen, inwieweit hier der gesamte Bereich zwischen Fiesteler Straße und Hollager Straße überplant werden kann, welche immisionsbedingten Einschränkungen dabei bestehen und inwieweit die vorhandene Infrastruktur, insbesondere das umgebende Straßennetz, die zusätzlichen Belastungen überhaupt aufnehmen kann.
Manfred Gretzmann (CDW/W): Nach dem Ratsbeschluss vom 07.03.2024 ist die Verwaltung beauftragt worden, für die neu zu errichtende Kindertagesstätte ein näher bezeichnetes Grundstück vertraglich zu sichern. In dem Beschluss ist nicht über einen Grundstücks-Übertragungsvertrag entschieden worden, ein solcher Erwerb war auch hinsichtlich der Grundstücksfläche für den Neubau der Kindertagesstätte durch die Gemeinde ausdrücklich nicht vorgesehen.
Guido Pott (SPD): Hier sollten wir Klarheit schaffen und einen neuen Ratsbeschluss fassen, in dem die bisher ausschließlich für den Kindergartenbau vorgesehene Fläche als Gemeindebedarfsfläche ausgewiesen wird. Der Beschluss zum Erwerb der Flächen muss ja in jedem Fall noch dem Rat zur Abstimmung vorgelegt werden.
Rüdiger Schulz (Bündnis90/Die Grünen): Nein.
Markus Steinkamp (FDP): Es gab im März 2024 keinen Ratsbeschluss, der einen Grundstückskauf im in Rede stehenden Gebiet zum Gegenstand hatte oder einen Flächenerwerb an den Neubau eines Kindergartens gekoppelt hat. Entsprechend kann die Frage nicht beantwortet werden.
3. Frage: Müsste der Bürgermeister erklären, was er unter einem marktgerechten Kaufpreis für die Fläche versteht?
Andre Budke (CDU): Intern auf jeden Fall, die Ratsmitglieder sind ohnehin zur Verschwiegenheit verpflichtet. Es ist bei Kaufpreisen immer strittig, inwieweit diese nichtöffentlich oder öffentlich genannt werden sollten. Ich bin im Zweifelsfall für Transparenz.
Manfred Gretzmann (CDW/W): Die Verwaltung bereitet Grundstücks-Übertragungsverträge vor und führt die entsprechenden Verhandlungen mit den Veräußerern. Die endgültige Entscheidung über das Zustandekommen des Vertrages, auch des Kaufpreises, obliegt dem Rat. Die diesbezüglichen Beratungen finden zum Schutz der Interessen der Beteiligten in nicht öffentlichen Sitzungen statt.
Guido Pott (SPD): Über Kaufpreise in der Öffentlichkeit zu spekulieren ist grundsätzlich nicht zuträglich. In der Vergangenheit hat der Bürgermeister beim Ankauf von Flächen für die Gemeinde gute Ergebnisse erzielt und das Thema Flächenerwerb spürbar vorangebracht. Ich gehe davon aus, dass dies auch wieder gelingen wird. Darüber hinaus wird jeder Grundstückskaufvertrag dem Rat zur Beschlussfassung vorgelegt.
Rüdiger Schulz (Bündnis90/Die Grünen): Ja.
Markus Steinkamp (FDP): Gemäß Duden bedeutet marktgerecht „den Bedingungen des Marktes entsprechend“. Im Hinblick auf den Kaufpreis bedeutet das, dass er dem entspricht, was üblicherweise gezahlt wird bzw. was vergleichbare Verkäufer und Käufer für ein vergleichbares Gut vereinbaren würden. Ich habe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Bürgermeister dies anders versteht. Was private Parteien untereinander verhandeln, bleibt diesen überlassen. Über Grundstückskäufe und -verkäufe der Gemeinde beschließt der Rat. Was hier zusätzlich zu erklären wäre, erschließt sich mir nicht.
4. Frage: Dürfte dieser Preis mit Blick auf den Steuerzahler über den 70 Euro liegen, die 2020 für das Nachbargrundstück aufgerufen waren?
Andre Budke (CDU): Preisempfehlungen gebe ich lieber nicht ab.
Manfred Gretzmann (CDW/W): Der Erwerb oder Verkauf von Grundstücken ist in nichtöffentlichen Sitzungen zu verhandeln. Angelegenheiten, die in nichtöffentlichen Sitzungen beraten werden, bedürfen der Geheimhaltung.
Guido Pott (SPD): Wir alle wissen, dass die Grundstücks- und Baupreise zuletzt einer sehr dynamischen Entwicklung unterlagen. Vor diesem Hintergrund nun einen Preis aus dem Jahr 2020 als Maßstab heranzuziehen ist nicht sachgerecht, zumal der Ankauf seinerzeit aus guten Gründen nicht realisiert wurde.
Rüdiger Schulz (Bündnis90/Die Grünen): Ja.
Markus Steinkamp (FDP): Ein Marktpreis ergibt sich zuerst aus Angebot und Nachfrage, die auf dem Markt aufeinandertreffen, des Weiteren kommt es auf das Verhandlungsgeschick der beteiligten Parteien an. Hier von vorneherein als Außenstehender zu sagen, dieser oder jener Preis darf es nicht oder muss es in jedem Fall sein, zeugt von einem grundsätzlichen Missverständnis über den Marktmechanismus. Die Vorstellung dirigistisch festgezurrter Preise greift leider um sich, wie die aktuelle Diskussion um den Mindestlohn zeigt. Wir sollten uns nicht daran beteiligen. Absolute Vergleiche sind zudem schwierig: Bauland ist knapp, nicht beliebig vermehrbar oder austauschbar und hat immer Eigenarten, z.B. im Hinblick auf den Erschließungsaufwand. Den Blick auf den Steuerzahler verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht. Sofern die Gemeinde Bauerwartungsland erwirbt, tut sie das regelmäßig zum üblichen Preis der aktuellen Verwendung, also z.B. für eine landwirtschaftliche Nutzung. Erst wenn Baurecht geschaffen wird und eine Erschließung erfolgt, kommt es zu einer Nachzahlung an den früheren Verkäufer, die regelmäßig durch den Erlös aus dem Weiterverkauf mehr als ausgeglichen wird. Die späteren Bauherren zahlen den Grundstückskaufpreis, die Erschließungskosten, seit einiger Zeit Infrastrukturbeiträge und vielleicht auch noch einen kleinen Gewinn für die Gemeinde. Als Freie Demokraten kritisieren wir eher, dass die Gemeinde das Baurecht ermöglichen oder verweigern kann und dies auch ausnutzt. Bauland wird so eher unterhalb der Marktpreise erworben bzw. angeboten. Dies ist nicht nur ein Nachteil für die Verkäufer. Das Angebot an Bauland ist deshalb nicht so groß, wie es sein könnte und wofür in den letzten Jahren Nachfrage bestanden hätte. Wo in dieser Kette jedoch der Blick auf den Steuerzahler zu richten wäre, ist nicht ersichtlich.
5. Frage: Was sagen Sie dazu, dass die Verwaltung den erst vor sieben Wochen gefassten Ratsbeschluss für den Kindergartenneubau nicht umsetzt?
Andre Budke (CDU): Hier gilt das Primat des Rates, dessen Beschlüsse sind umzusetzen. Soweit sich nach dem Ratsbeschluss wesentliche Änderungen der Rahmenbedingungen ergeben haben sollten, nach denen eine Umsetzung des Beschlusses nicht mehr sinnvoll erscheint, ist die Verwaltung nach meinem Rechtsverständnis verpflichtet, den Rat hierüber neu beschließen zu lassen.
Manfred Gretzmann (CDW/W): Ein Gemeinderatsbeschluss ist bindend für alle und muss grundsätzlich umgesetzt werden. Wenn ein Gemeinderatsbeschluss geändert werden soll, ist dies nur durch den Gemeinderat selbst möglich. Aufgrund der aktuellen Entwicklung wird die Verwaltung einen Änderungsbeschluss vorlegen müssen.
Guido Pott (SPD): Unser aller Ziel muss ein bedarfsgerechtes Angebot an Kita- und Krippenplätzen in der Gemeinde Wallenhorst sein. Wenn sich Mehr- oder Minderbedarfe abzeichnen, muss die Gemeinde nachsteuern können. Sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Insofern ist die Ausweisung einer Gemeindebedarfsfläche an der Ziegelei genau der richtige Weg, um hier handlungsfähig zu werden.
Rüdiger Schulz (Bündnis90/Die Grünen): Nicht nachvollziehbar.
Markus Steinkamp (FDP): Mir ist nicht bekannt, dass die Verwaltung einen Ratsbeschluss nicht umsetzen würde. Im März 2024 wurde die Verwaltung beauftragt, die in Rede stehende Fläche vertraglich zu sichern, damit die Gemeinde bei entsprechendem Bedarf darauf Zugriff hat. Mir liegen keine Informationen vor, dass das nicht erfolgt. Das bleibt auch richtig: Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Vorsorge für einen ggf. notwendigen Ausbau von Betreuungskapazitäten sinnvoll ist. Soweit die Frage darauf abzielt, dass der in der Folge des Ratsbeschlusses vom Dezember 2023 anzugehende und im März erwähnte Investorenwettbewerb wegen eines geringeren Bedarfs auf Eis liegt, sehe ich ebenfalls keinen Ratsbeschluss missachtet. Eine am Ende nicht benötigte Kindertagesstätte voranzutreiben, würde unnötige Ausgaben bedeuten. Solche lehne ich vor dem Hintergrund des aktuellen Schuldenstandes der Gemeinde entschieden ab. Insoweit bin ich sehr froh, dass die Verwaltung in Wallenhorst nicht aus Prinzip Beschlüsse zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in vorauseilendem Gehorsam überdehnt. Die im Rat vertretenen politischen Parteien wurden darüber auch unaufgefordert informiert. Verwundert waren wir in unserer Fraktion lediglich darüber, dass die rückläufige Entwicklung des Betreuungsbedarfes offenbar lange unbeachtet blieb und es so zu einer unnötig abrupten Kehrtwende kam. Wir hätten uns gewünscht, die jüngsten Entscheidungen schon im Lichte der jetzt bekannten Sachlage zu treffen.
(H.)
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