„Keine Mehrheit im Gemeinderat absehbar“ –
Als Reaktion soll die Neuverschulung erhöht werden
Eigentlich hatte der Gemeindekämmerer Florian Lüttkemöller erwartet, dass es für den Haushalt 2023 keine bösen Überraschungen geben wird. Die Verwaltung war davon ausgegangen, dass der Gemeinderat ihrem Vorschlag folgen wird, dass die Einnahmen durch eine deutliche Anhebung der Grund- und Gewerbesteuern erhöht werden sollen. Seit dem 6. Dezember ist das nun anders. Mit einem am Nikolaustag neu veröffentlichten Beschlussvorschlag für die Ratssitzung am 15. Dezember reagiert die Verwaltung darauf, dass die vorgeschlagene Anpassung der Steuersätze „nicht vollumfänglich mitgetragen wird“.
Weiter heißt es in dem Schreiben, „dass für eine Grundsteuererhöhung keine Mehrheit absehbar ist und für die Erhöhung der Gewerbesteuer frühstens ab dem Haushaltsjahr 2024 mit einer Mehrheit im Gemeinderat zu rechnen ist“. Ein entsprechendes Stimmungsbild in der Politik hatte sich bereits in den letzten Wochen abgezeichnet. In Gesprächen mit dem Bürger-Echo hatten sich führende Ratsmitglieder von CDU, FDP, Grünen und CDW/W zum Teil sehr deutlich gegen Steuererhöhungen ausgesprochen.
Allein mit der geplanten Anhebung der Hebesätze von 320 auf 350 Punkte bei den von Hausbesitzern und Landwirten erhobenen Grundsteuern A und B hätte die Gemeinde nach Berechnungen der Verwaltung Mehrerträge von insgesamt etwa 272.000 Euro generiert. Mit der Erhöhung der Gewerbesteuer wären sogar rund 1,1 Millionen Euro zusätzlich von den in Wallenhorst ansässigen Unternehmen in das Gemeindesäckel geflossen. Das noch bis vor einer Woche fest eingeplante Geld wird nun erst einmal bei den Steuerzahlern bleiben.
Für die nächsten Haushaltsjahre wird die Entscheidung gegen Steuererhöhungen erhebliche Auswirkungen haben. „Im mittelfristigen Planungshorizont fehlen im Vergleich zu den vorgeschlagenen Hebesätzen in Summe etwa 2,2 Millionen Euro“, ist in der neuen Beschlussvorlage der Verwaltung zu lesen. Da diese Summe im Wesentlichen zur Finanzierung von Investitionen vorgesehen sei, „müssen nun weitere Kreditmittel aufgenommen werden, was auch Zins- und Tilgungsleistungen nach sich zieht“.
Ein Ergebnis ist auch, dass es immer unwahrscheinlicher wird, dass die Gemeinde unter der Verschuldungsmarke von 50 Millionen Euro bleiben wird. Schon vor der Entscheidung gegen die Steuererhöhungen wollte sich Kämmerer Florian Lüttkemöller gegenüber dem Bürger-Echo nicht darauf festlegen lassen, dass dieses Ziel erreicht werden kann. Noch vor rund zehn Jahren war die Verschuldung der Gemeinde Wallenhorst nicht einmal halb so hoch gewesen.
Neben der frisch eingepreisten zusätzlichen 2,2-Millionen-Neuverschuldung kommen in naher Zukunft etwa in Folge der teuren Energiewende weitere Finanz-Risiken auf die Gemeinde zu. Dazu könnten millionenschwere Investitionen kommen, mit denen noch niemand wirklich gerechnet hat. Ein Beispiel ist das System zur Abwasserreinigung. Hierfür wird die Gemeinde schon bald allein für eine Erneuerung der um viele Jahre überalterten Pumpstation in Hollage mehr als 1,4 Millionen Euro ausgeben müssen. „Es eilt“, hatte dazu ein unabhängiger Gutachter im jüngsten Bauausschuss erklärt. Zur Herstellung der Versorgungssicherheit werde die Gemeinde Wallenhorst zeitnah noch tiefer in die Tasche greifen müssen. Das neue Pumpwerk sei hier „erst der Anfang“.
Sicher sind mit Blick auf die Entwicklung der Gemeindefinanzen derzeit nur zwei Punkte: Die Gemeinde plant, dass sie im Haushaltsjahr 2023 fast 600.000 Euro mehr ausgibt als sie einnimmt. Zudem muss sie noch deutlich mehr neue Schulden aufnehmen wie ohnehin geplant, um die vorgesehenen Investitionen bezahlen zu können. (H.)
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