Spar-Appell bei der Einbringung des Haushalts 2022:
Verschuldung erreicht 2023 Rekordniveau von 45,6 Millionen Euro
Hohe Investitionen in den nächsten zwei Jahren – Einnahmen liegen erneut unter den Ausgaben – Steuererhöhung für 2023 geplant
Ein dickes Minus im Ergebnishaushalt, Investitionen und Schulden auf Rekordniveau sowie ab 2023 höhere Belastungen für die Bürger, die dann gut zehn Prozent mehr für die Grundsteuern A und B sowie für die Gewerbesteuer – zusammen genommen etwa 1,3 Millionen Euro – zah-len sollen: Wenn es nach dem Vorschlag der Verwaltung geht, steht die Gemeinde Wallenhorst in den kommenden zwei Jahren vor Haushalten der Superlative.
Nach dem von Kämmerer Florian Lüttgemöller im Gemeinderat vorge-stellten Zahlenwerk werden die für 2022 erwarteten Erlöse von gut 46,1 Millionen Euro im Ergebnishaushalt nicht zur Deckung der mit knapp 46,7 Millionen Euro kalkulierten Ausgaben ausreichen. Die zur Haus-haltsdeckung fehlenden gut 500.000,- Euro wird die Gemeinde aus ihrer über viele Jahre aufgebauten Rücklage entnehmen müssen.
Dass die Gemeinde Wallenhorst damit im zweiten Jahr in Folge mehr Geld ausgibt als sie einnimmt, hat nach Angaben des Kämmerers meh-rere Gründe. Einerseits haben sich verschiedene Einnahmeposten wie etwa die Gewerbesteuer zum Teil coronabedingt nicht so gut entwi-ckelt wie erwartet. Andererseits müsse man für hohe Ausgabenposten aufkommen, die größtenteils von außen vorgegeben werden. Florian Lüttkemöller verwies hier vor allem auf die 12,7 Millionen Euro für die Kreisumlage an den Landkreis sowie auf die rund zehn Millionen Euro, die von der Gemeinde als fixe Kosten für den Bildungsbereich – also für Kindergärten und Schulen – vorgesehen sind.
Für den Zeitraum nach 2022 geht die Gemeinde wieder von einem aus-geglichenen Ergebnishaushalt aus. Spätestens dann sollen die wesent-lichen Erträge wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben. Die höchsten Einahmen seien für 2022 durch den Einkommenssteueranteil von gut 12,5 Millionen Euro und etwas mehr als 9.5 Millionen Euro bei der Ge-werbesteuer zu erwarten. Im Jahr vor der Steuererhöhung sollen in Wal-lenhorst bei der Grundsteuer A 83.000,- Euro und bei der Grundsteuer B etwa 2,8 Millionen Euro zusammen kommen, berichtete der Kämmerer. Ob die für den Haushalt 2022 angenommenen Zahlen realistisch sind, werde man erst sagen können, wenn auch das Land Niedersachsen und der Bund ihre Berechnungen abgeschlossen haben.
Sicher ist, dass die bis 2023 auf 45,6 Millionen Euro angewachsene Gesamtverschuldung der Gemeinde danach nicht weiter steigen und innerhalb der nächsten 20 Jahre möglich nahe null wieder zurückgeführt werden soll, wenn es nach dem Kämmerer geht. Am Ende der mittel-fristigen Finanzplanung im Jahr 2025 soll der Schuldenstand noch 41 Millionen Euro betragen.
Neben einer jährlichen Tilgung von zwei Millionen Euro müsse die Ge-meinde in den nächsten Jahren auch eine Zinslast von gut 400.000,- Euro pro Jahr tragen – wenn es bei den aktuell niedrigen Zinsen bleibt. Bei allen neu aufzunehmenden Krediten „würde eine Erhöhung der Zin-sen einen Mehraufwand in der Größenordnung von anfänglich 150.000,- Euro per anno pro Prozentpunkt bedeuten“, schreibt Florian Lüttgemöl-ler auf Nachfrage des Bürger-Echos.
Allein für die nächsten beiden Planungsjahre 2022 und 2023 rechnet die Gemeinde mit einer Nettoneuverschuldung um insgesamt etwa 12,9 Millionen Euro – was letztlich die Rekordverschuldung von 45,6 Millionen Euro ergibt. Damit steht rechnerisch jeder der rund 23.000 Wallenhorster mit knapp 2.000,- Euro Pro Kopf-Verschuldung in der Kreide. Das ist ein Wert, der in der Geschichte der Gemeinde Wallen-horst zuvor nie erreicht wurde.
Ein wesentlicher Grund für die hohe Verschuldung sind die umfangrei-chen Investitionen, für die Wallenhorst seit 2020 deutlich mehr Geld ausgibt, als in den Jahren zuvor. Die jährlichen Inves-titionsausgaben sollen von 13,7 Millionen Euro in 2020 bis auf 17,7 Millionen Euro in 2023 in die Höhe schnel-len. Zwischen 2008 und 2020 hatte die Gemeinde durchschnittlich 6,6 Mil-lionen Euro für Investitio-nen ausgegeben. An diese Werte sollen sich die In-vestitionen ab 2024 wieder annähern.
Ausgaben in siebenstelli-ger Höhe plant die Gemeinde Wallenhorst 2022 für den Neubau des Jo-hanniskindergartens in Rulle (zwei Millionen Euro), die Erweiterung der Mensen in den Grundschulen (1,56 Millionen Euro), den allgemeinen Grunderwerb (1,69 Millionen Euro), die Radverkehrsförderungsmaß-nahme Kanalseitenweg (eine Million Euro) sowie knapp 1,8 Millionen Euro als Eigenkapitalanteil für den Bau des Glasfasernetzes durch die Gemeindewerke Wallenhorst.
Dazu kommen 2022 etliche, zum Teil deutlich kleinere Summen wie etwa 790.000,- Euro für den Digitalpakt Schule und 400.000,- Euro für die Errichtung eines Fahrstuhls an der Erich-Kästner-Schule bis hin zu 4.000,- Euro für die Lehrerbibliothek der Realschule oder 5.000,- Euro für die Anschaffung neuer Tore auf den Sportanlagen der Gemeinde. Für 2023 stehen zwei besonders teure Investitionsmaßnahmen schon fest: Für die Erweiterung der Mensen an den Grundschulen sollen dann noch einmal fast 5,6 Millionen Euro und für den Neubau des Johannis-kindergartens Rulle weitere fünf Millionen Euro ausgegeben werden.
Bereits in den Haushaltsberechnungen enthalten sind die Zusatzein-nahmen, mit denen die Gemeinde ab 2023 durch die von ihr erhobenen Steuern rechnet. Für die Grundsteuer A und B sowie die Gewerbesteu-er erwartet der Kämmerer insgesamt rund 1,3 Millionen Euro, die in den Haushalt einfließen sollen. Die Grundsteuerbelastung für ein nor-mal großes Einfamilienhaus werde sich ab 2023 um 25,- bis 35,- Euro pro Jahr erhöhen, erklärte der Kämmerer auf Nachfrage des Bürger-Echos. Wie hoch die Zusatzbelastungen für die Betriebe sein werden, sei schwierig darstellbar, „da sich die Steuer am Gewinn bemisst und dieses sehr heterogen verteilt ist.“
Noch nicht in die Haushaltszahlen eingepreist ist die Entwicklung bei der Kreisumlage. Angesichts der dramatisch schlechten Finanzlage des Landkreises ist hier nach Einschätzung von Fachleuten zumindest ab 2023 nicht auszuschließen, dass es zu einer Anhebung kommen wird. Genau das das würde sich für die Gemeinde Wallenhorst mit Zu-satzzahlungen von 250.000,- bis 285.000,- Euro pro Punkt bemerkbar machen.
„Wir erleben derzeit eine außergewöhnliche Zeit“, machte Bürgermeis-ter Otto Steinkamp zum Abschluss der Haushaltsvorstellung klar. Zu-sammen mit Kämmerer Florian Lüttgemöller zieht er ein eindeutiges Fazit: „Das Haushaltsjahr 2022 sowie die mittelfristige Finanzplanung basieren auf der Annahme, dass die wirtschaftliche Entwicklung sich positiv gestaltet.“ Die Gemeinde stehe vor der Herausforderung, „den immer weiter steigenden Ansprüchen unserer Bürgerinnen und Bürger vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Verschuldungssituation ge-recht werden zu können.“
Auch die daraus folgenden Konsequenzen für die Ratspolitiker werden von Bürgermeister und Kämmerer unmissverständlich beschrieben: „Daher möchten wir daran appellieren, die langjährige Handlungsfä-higkeit der Gemeinde durch verantwortungsvolle Entscheidungen zu erhalten und der Entschuldung eine hohe Priorität einzuräumen.“
Eine Diskussion über die aktuellen Zahlen fand bei der Einbringung des Haushalts noch nicht statt. Bürgermeister Otto Steinkamp betonte, dass jetzt die Zeit für Gespräche in den politischen Gremien ist. Ände-rungswünsche der Ratsfraktionen sollten bis zum 10. Januar bei der Verwaltung vorgebracht werden. Die abschließende Beratung und Ab-stimmung ist für die Gemeinderatssitzung am 3. Februar 2022 vorge-sehen, kündigte der Bürgermeister an: „Ich hoffe, dass es dann einen einstimmigen Beschluss für den Haushalt 2022 geben wird.“ (H.)
Kommentar von Redakteur Klaus Hilkmann
Wer auf Pump lebt...
Ein schickes neues Feuerwehrgebäude, viel Geld für den Breitbandausbau und gleich mehrere Millionen-Investitionen für Kindergärten und Schulen: Die Gemeinde Wallenhorst leistet sich eine Menge, von dem andere Kommunen zum Teil nur träumen können. Bestens ausgestattete Bildungs- und Sportstätten sowie die Sicherung leistungsstarker Feuerwehren und Versorgungsleistungen – um nur einige wichtige Bereiche zu nennen – hat in Wallenhorst traditionell über Parteigrenzen hinweg eine hohe Priorität. An dieser bürger-nahen Gemeinsamkeit der Entscheider in Politik und Verwaltung hat sich seit den Gründungstagen der Gemeinde vor knapp 50 Jahren wenig geändert.
Eine neue Qualität hat dagegen die Einstellung der Ratsmehrheit, wie die vielen schönen Dinge bezahlt werden sollen. Zumindest einige der aktuellen Ratsmitglieder haben noch Zeiten erlebt, in denen zäh um jeden Euro Neuverschuldung gerungen wurde. Damit ist es lange vorbei. Die aktuelle Situation ist, dass die Gemeinde innerhalb von nur zwei Jahren fast 13 Millionen Euro neue Schulden anhäuft und 2023 eine Rekordverschuldung von rund 46,5 Millionen Euro erreichen wird. Dass selbst das noch eine optimistische Berechnung ist, dürfte angesichts der neuen Corona-Welle und möglicher Mehrausgaben etwa für die Kreisumlage wohl schon jetzt klar sein.
Der gemeinsame Spar-Appell des Bürgermeisters und des Kämmerers ist angesichts der besorgniserregenden Zahlen zwingend erforderlich. Schon jetzt ist schwarz auf weiß nachlesbar, dass die Gemeinde künftig mindestens 2,5 Millionen Euro pro Jahr allein für Tilgungs- und Zinszahlungen aufbringen muss. Je nach Konjunktur sind das immerhin ein Viertel bis zu einem Drittel der Gewerbesteuern, die von den Wallenhorster Betrieben an die Gemeinde gezahlt werden müssen. Dieses Geld ist in Zukunft von vornherein ganz einfach weg und von den Einnahmen abzuziehen.
Sicher ist auch, dass die für Wallenhorst beispiellos hohen Schulden neben der aktuellen auch die nächste Generation belasten werden. Für die Bürgerinnen und Bürger wird sich das mit den für 2023 geplanten Steuererhöhungen bemerkbar machen. Dann können fast alle Wallenhorster in ihrer Brieftasche nachzählen, was ihnen die vielen Wohltaten aus der jüngsten Zeit kosten werden. Auch in Wallenhorst gibt es keine guten oder schlechten Schulden. Wer auf Pump lebt, bekommt früher oder später die Rechnung präsentiert. (H.)
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