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Gemeinde rechnet mit noch höherer Rekordverschuldung

Jetzt sind es 35,2 Millionen Euro

Verwaltung empfiehlt Haushaltsplan mit Anstieg von fast 17 Millionen Euro in sechs Jahren –  

Investitionen werden zu einem großen Teil durch neue Schulden finanziert –  

Mehrere Maßnahmen sollen geschoben oder ganz gestrichen werden

Wenn es nach den aktuellen Plänen der Verwaltung geht, wird sich die Verschuldung der Gemeinde Wallenhorst innerhalb von nur sechs Jahren nahezu verdoppeln. Das Minus wird demnach im Zeitraum von 2018 bis 2024 von 18,33 auf 35,2 Millionen Euro ansteigen. Die dazu von der Gemeindeverwaltung präsentierte Grafik erinnert an das Streckenprofil der steilsten Hochgebirgsetappen bei der Tour de France. 

Die Verschuldung schnellt in Wallenhorst von Jahr zu Jahr mitunter dramatisch in die Höhe. Sicher ist, dass die Gemeinde schon vor einigen Monaten mit einer neuen Rekordverschuldung gerechnet hatte. Seinerzeit hatte die für 2024 erwartete Schulden-Höchstmarke aber noch deutlich unter den jetzt präsentierten 35,2 Millionen Euro gelegen.  

Umgerechnet auf die rund 24.000 Einwohner der Gemeinde Wallenhorst bedeuten die jetzt präsentierten Zahlen eine Pro-Kopf-Verschuldung von mehr als 1.460,- Euro. Zum Amtsantritt von Bürgermeister Otto Steinkamp im Jahr 2014 hatte dieser Wert noch bei knapp 700,- Euro gelegen. Allein für 2020 rechnet die Verwaltung mit einer Nettoneuverschuldung von mehr als 9,2 Millionen Euro. In drei der vier Folgejahre bis 2024 sollen jeweils weitere neue Schulden in Millionenhöhe aufgenommen werden. Allein für das 2023 ist ein Schuldenabbau um etwa 1,1 Millionen Euro geplant.  

Weshalb der Schuldenstand der Gemeinde in den nächsten Haushaltsjahren derart in die Höhe schnellt, wird mit einem Blick in das Investitionspaket klar. Allein in 2020 sollen fast 19,8 Millionen Euro für investive Ausgaben ausgezahlt werden, wofür eine Kreditaufnahme von über 10,4 Millionen Euro erforderlich ist. In den Folgejahren plant die Gemeinde ebenfalls hohe Investitionen zwischen 11,8 Millionen Euro in 2021 und knapp 6,6 Millionen Euro in 2014 ein. Da die vorhandenen Finanzmittel dafür bei weitem nicht ausreichen, müssen die Vorhaben zu einem großen Teil mit neuen Schulden bezahlt werden. Als Folge rutscht die Gemeinde immer tiefer in die roten Zahlen.

Die auch in Wallenhorst finanziell schmerzhaften Folgen der Corona-Krise spielen dabei nicht die entscheidende Rolle. Sie werden die Gemeinde aber zusätzlich drücken. Dem Bürger-Echo vorliegende aktuelle Unterlagen der Verwaltung zum Haushalt 2021 zeigen, dass für 2020 Mindereinnahmen von zusammen gut 3,5 Millionen Euro bei der Gewerbesteuer und dem Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer erwartet werden. Als Reaktion auf die Pandemie-bedingten finanziellen Einbußen empfiehlt die Verwaltung, die Verschiebung oder den Verzicht auf mehrere eigentlich fest eingeplante Maßnahmen – unter anderem im Bildungsbereich und für die Straßensanierung. 

Wofür die Gemeinde im Einzelnen in den nächsten fünf Jahren mehr als 54 Millionen Euro für Investitionen auszahlen will, wird in dem Zahlenwerk für die Entscheider aus der Politik nur zum Teil aufgeführt. In dem vorliegenden Haushaltsplan für 2021 sind zumindest einige Positionen aufgeführt worden. So sollen zum Beispiel für den Neubau des Johanniskindergarten in Rulle bis zum Jahr 2023 vier Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Für die Erweiterung des Andreaskindergartens sind demnach 1,51 und für den Neubau des Ruller Feuerwehrhauses gut eine Million Euro vorgesehen. 

Auf die Streichliste soll die Sanierung der naturwissenschaftlichen Räume in der Alexanderschule und der Realschule kommen, was den Haushalt zusammen um gut 1,1 Millionen Euro entlasten würde. Die mit 2,8 Millionen Euro kalkulierte Straßenerneuerung am Ruller Haupthügel soll nach den Vorstellungen der Verwaltung von 2021 auf 2023 geschoben werden. Auch die Ortsfeuerwehr Rulle soll sich gedulden. Die eigentlich für 2022 vorgesehene 420.000,- Euro teure Ersatzbeschaffung eines Tanklöschfahrzeugs soll erst 2024 erfolgen.

Ob es im Gemeinderat eine Mehrheit für die Vorschläge der Verwaltung gibt, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Der Haushalt soll am 8. Oktober eingebracht und nach den Vorstellungen der Verwaltung im Dezember 2020 beschlossen werden. (H.)


Kommentar

...von Redakteur Klaus Hilkmann

Kein Grund zur Nachfrage?

Höher, schneller, weiter: Bei der Entwicklung der Verschuldung wird die Gemeinde Wallenhorst in den nächsten Jahren wohl von einem Rekord zum nächsten eilen. Das Bürger-Echo kann sich noch gut an erregte Diskussionen erinnern, bei denen ein Überschreiten der 20 Millionen-Grenze von allen Fraktionen übereinstimmend als Schreckgespenst gesehen wurde, das es in Wallenhorst niemals geben dürfe.

Seit einigen Jahren ist das anders. Die Schuldenstand der Gemeinde wird bis 2024 vermutlich über 35 Millionen Euro betragen, ohne dass es kritische Nachfragen aus den Reihen der Ratsmehrheit gibt. Im Gegenteil: Der CDW/W-Fraktionschef Manfred Gretzmann spricht in öffentlicher Sitzung von „guten Schulden“. Die UWG-Fraktionsvorsitzende Marion Müssen lobt den Bürgermeister für seine gute Arbeit beim Millionen-teuren Kauf der „Grüne Wiese-Grundstücke“. Für den SPD-Ratsherrn Hans Stegemann ist die Millionen-schwere Fehlkalkulation beim Bau der neuen Wallenhorster Kinderkrippe kein Grund einmal genauer hinzuschauen, wie die Gemeindeverwaltung mit dem Geld der Steuerzahler umgeht (siehe auch Interview in dieser Ausgabe).     

Andererseits gehört zu einer fairen Beurteilung auch die Tatsache, dass die Gemeinde mit den hohen Investitionen erhebliche Werte schafft, von denen alle Wallenhorster profitieren können. Entscheidend ist mit Blick auf die vielen, zu einem großen Teil auf Pump investierten Millionen die Frage, ob die Ausgaben wirklich in dieser Höhe gerechtfertigt sind. Ob das etwa für die Grüne Wiese oder das Gewerbegebiet am Schwarzen See investierte Geld wieder in die Kasse der Gemeinde zurückfließen wird, kann niemand sagen.  

Sicher ist derzeit nur Eines: Gerade abgeschlossene Baumaßnahmen lassen hier nichts Gutes erwarten. Die von der Verwaltung einst mit 3,7 Millionen Euro kalkulierte neue Kinderkrippe wird tatsächlich mindestens sechs Millionen Euro kosten. Die Erschließungskosten für das Gewerbegebiet am Schwarzen See steigen seit Jahren immer weiter an. Das Ergebnis lässt sich an dem jetzt präsentierten Haushaltentwurf 2021 ablesen. Noch einmal: Die Gemeinde rechnet 2024 mit 35,2 Millionen Euro Schulden! (H.)


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